Meine Mandanten fragen, angesichts begrenzter Ressourcen immer wieder, auf welchen Bereich des Zollrechts ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss.

Neben dem Zollwertrecht ist das sicher das Zolltarifrecht, also die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur (KN) bzw. die rechtskonforme Anwendung des Elektronischen Zolltarifs (EZT).
Harmonisiertes System (HS) 2022 – Änderung der Codenummern

Warum ist die richtige Tarifierung so wichtig?


Die Tarifierung von Waren ist ein wichtiger Bestandteil der Compliance.

Es ist Bestandteil jede Zollprüfung die Tarifierung von Waren zu überprüfen. Aber auch bei jeder Beschau oder Zollkontrolle kommt es auf die Einreihung an. Die Zollverwaltung findet immer wieder Fehler. Das führt im günstigsten Fall zu einer Neufestsetzung der Einfuhrabgaben. Schwerwiegender ist aber neben drohenden Ordnungswidrigkeitenverfahren oft die Tatsache, dass durch das Bekanntwerden des Fehlers nun die Pflicht besteht auch Vorgänge zu korrigieren, auf die sich dieser Fehler auswirkt, auch und gerade, wenn er außerhalb der Prüfperiode liegt. Ansonsten steht der Vorwurf der vorsätzlichen Steuerhinterziehung im Raum.

Hierbei ist jeder Einfuhrvorgang einzeln zu melden, zu dokumentieren und zu korrigieren. Oft ein Kraftakt für den betroffenen Wirtschaftsbeteiligten.

 

Welche Bedeutung hat die Zolltarifnummer?


Die Zolltarifnummer ist nicht nur entscheidend für die Frage, welche Einfuhrabgaben zu erheben sind (z.B. Zoll, Strafzoll, Antidumpingzoll oder Agrarzoll), die Tarifierung bestimmt auch die Abgabensätze. So ist die Frage der Anwendung des ermäßigten oder regulären Einfuhrumsatzsteuersatzes auch eine Frage der Einreihung der Ware.

Ebenso wichtig ist, dass die Zolltarifnummer zeigt, welchen handelspolitischen Beschränkungen und welchen Verboten sowie Beschränkungen die Waren unterliegen.

Auch für den Bereich der Präferenzkalkulation ist der Ausgangspunkt die richtige Einreihung der Waren. Das Verwenden der falschen Zolltarifnummer kann dazu führen, dass ein Präferenznachweis nicht anerkannt wird.

Warenlisten in zollrechtlichen Bewilligungen, die ausschlaggebend dafür sind, für welche Ware die Bewilligung überhaupt gilt, basieren auch auf der Tarifierung.

 

Harmonisiertes System (HS) und Kombinierte Nomenklatur (KN)

 
Grundlage für den Zolltarif der EU ist die Kombinierte Nomenklatur (KN). Diese ist auch für die Außenhandelsstatistik maßgebend.

Die Kombinierte Nomenklatur basiert auf dem Harmonisiertem System zur Bezeichnung und Codierung von Waren des internationalen Handels (HS), das auf dem gleichlautenden internationalen Abkommen vom 14.06.1983 beruht.

Das Warenverzeichnis ist in 21 Abschnitte gegliedert, die in 97 zollrechtlich relevante Kapitel unterteilt sind. In den Kapiteln sind dann unterschiedliche Positionen zu finden, die mit vier arabischen Ziffern gekennzeichnet sind. Die jeweilige Position wird nun durch die 5. und 6. Unterposition (HS) weiter untergliedert.

Die meisten Staaten sind dem HS beigetreten. Das hat zur Folge, dass nahezu weltweit die ersten 6 Stellen einer Ware identisch sind. Das bedeutet in der Praxis aber nicht, dass eine Ware in jedem Land gleich eingereiht wird. Es gibt hier immer wieder unterschiedliche Einreihungsauffassungen zwischen den Ländern, so dass die Einreihung einer Ware im Herkunftsland für die Einfuhrabfertigung im Bestimmungsland allenfalls ein Richtwert sein kann. Selbst innerhalb der Union gibt es immer wieder verschiedene Einreihungsauffassungen mit stark unterschiedlichen Ergebnissen.

Seine erste Reform hat das HS zum 01.01.1996 erfahren, um dem technischen Fortschritt und sich ändernden Handelspraktiken zu begegnen. Nun erfolgt die Überarbeitung im Fünfjahresrhythmus. Die WCO ist als zuständige Organisation für die Anpassungen zuständig.

 

Änderungen des HS zum 01.01.2021


Die WCO hat für das HS (2022) 351 Änderungen im Vergleich zum HS (2017) bekanntgegeben.

Diese fallen auf den Bereich Chemie, Holz, Textil und Bekleidung, die Umstellung von Glasfasern und betreffen Metalle, Maschinen und Beförderungsmittel.

Mit 77 Änderungen im Bereich Chemie (Kapitel 29, 30 und 38) ist dieser besonders betroffen. Neu ist die Aufführung von Elektrofahrzeugen im Bereich der Beförderungsmittel, was insbesondere die Anpassung des HS an neue technische Entwicklungen belegt. Aber auch der Bereich „Umwelt“ hat zunehmend Einfluss.

Es gibt aber auch neue Positionen (HS), wie 2404 (neuartiger Tabak), 8524 (Panels für Flachbildschirme), 8549 (Elektroschrott), 8806 (Drohnen).

Eine neue Position (HS) bedeutet immer, dass Waren aus bestehenden Positionen herausfallen und in die neuen Positionen (HS) tarifiert werden müssen.

Mit neuen Positionen entstehen auch neue Unterpositionen (HS).  Es wurden aber auch neue Unterpositionen eingeführt, indem die Position (HS) weiter unterteilt wurde. Ein Beispiel hierfür sind Smartphones (8517 13).

 

Kombinierte Nomenklatur (KN)


Mit der Kombinierten Nomenklatur übernimmt die EU das sechsstellige HS und führt eine weitere Unterteilung durch, indem zwei weitere Positionen angefügt werden, so dass sich ein weiterer achtstelliger Code ergibt. Dies ist erforderlich, um eine weiterführende Unterscheidung von Waren treffen zu können. Der Inhalt der Unterpositionen (KN) darf trotz weitem Ermessensspielraum nicht dem Wesen der durch das HS festgelegten Waren widersprechen.

Die Kombinierte Nomenklatur 2022 wurde am 29. Oktober 2021 im Amtsblatt L385 der EU veröffentlicht.

 

TARIC – „Tarif Intégré Communautaire“


Die Aufgliederung aller Waren in die achtstellige Kombinierte Nomenklatur wird den Ansprüchen der Union den Zolltarif der EU in vollem Umfang abzubilden noch nicht gerecht. Schließlich soll der Zolltarif in der Anwendung nicht nur Zölle abbilden, sondern alle wesentlichen Regelungen, die für eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt, erforderlich sind (Art. 28 Abs. 1 AEUV).

Mit einem „integrierten Zolltarif“ sollte eine digitale Datenbank geschaffen werden, die unter der Verwaltung der Kommission ständig und unverzüglich aktualisiert werden kann und alle wesentlichen Regeln abbildet.

Dieses Ziel wurde mit der Zolltarifdatenbank der Europäischen Union, auch TARIC genannt, umgesetzt. Es handelt sich um eine mehrsprachige Datenbank, in der alle Maßnahmen im Zusammenhang mit zolltarifären, handels- und agrarpolitischen EU-Rechtsvorschriften enthalten sind.

Der TARIC verschlüsselt diese Regelungen in der der 9. und 10. Stelle. Darüber hinaus sind weitere Hilfestellungen und Codierungen im TARIC zu finden.

 

EZT-Elektronischer Zolltarif


Da bei der Einfuhr von Waren nach Deutschland nicht nur EU-Regeln zu beachten sind, ist immer noch eine Codierungslücke vorhanden. Der Elektronische Zolltarif (EZT) verschlüsselt daher nationale Regelungen wie beispielsweise Regelungen zum (Einfuhr-) Umsatzsteuersatz, zu Rüstungsgütern, Umweltschutzbestimmungen, etc. aus dem nationalen Recht.

 

Was bedeute die Anpassung des HS für Ihr Unternehmen?


Wie wir gesehen haben, bringt die Einführung des HS 2022 viele Änderungen mit sich. Dadurch kann sich die EZT-Codenummer bei der Einfuhr aber auch der achtstellige Warencode für die Ausfuhr von Waren ändern. Zudem wirken sich die Änderungen auf das Statistische Warenverzeichnis 2022 aus. Gegebenenfalls verlieren auch verbindliche Zolltarifauskünfte wegen der Änderung der rechtlichen Grundlage ihre Gültigkeit.

Unternehmen sollten daher schon jetzt überprüfen, ob sie von den Änderungen betroffen sind.

Die WCO hat Vergleichsübersichten veröffentlicht, welche die Überprüfung erleichtern, ob hier eine Änderung eingetreten ist.

Die Tabelle I zeigt das Verhältnis zwischen dem HS (2022) und HS (2017). Tabelle I beinhaltet auch Anmerkungen.
 
Tabelle II zeigt das Verhältnis der Ausgabe HS (2017) zu Ausgabe HS (2021). Auf Anmerkungen wurde verzichtet, da es sich hier nur um die „umgedrehte Version“ von Tabelle I handelt.

Neu ist auch ein Online-Tool, mit dem die Entwicklung der einzelnen Positionen (HS) verglichen werden können. Den HS-Tracker finden sie hier: https://www.wto.org/english/news_e/news21_e/igo_07oct21_e.htm

 
Die Verwendung einer falschen Zolltarifnummer gehört nach meiner Erfahrung zu den häufigsten Fehlern im Zollprozess. Sie sollten jetzt die Gelegenheit nutzen und die korrekte Einreihung ihrer Waren überprüfen.

Wir unterstützen Sie gerne sowohl bei einer ersten Einschätzung der Codierung als auch bei der Beantragung einer verbindlichen Zolltarifauskunft.

Das Zolltarifrecht hat hier sowohl eigene Regeln als auch eine eigene Sprache. Die Entscheidungen des für die Einreihung von Waren zuständigen HZA Hannover sind oft nur schwer nachvollziehbar. Daher ist besonderes Augenmerk auf die Formulierung der Antragstellung zu legen.

Es ist immer sinnvoll, sich bei der Antragstellung unterstützen zu lassen.

 
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:

Resort HB20 – Zoll und Außenwirtschaft
RA Herbert Bayer
Diplom-Finanzwirt (FH)